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Punkte am 19. Januar 2023, Lectio

Lectio biblica: Methoden Lumko und Bludesch

von P. Georg Fisher
Einkehrtag
am 10. 11. Dezember 2022 – Priesterseminar Brixen 

Gott hat sich mitgeteilt, vielfach, in Schöpfung und Offenbarung.
In der Bibel sind Zeugnisse dessen gesammelt – sie verlangen, uns einzulassen auf andere Sichtweisen = zu hören nicht auf der Basis eigener Vorverständnisse, sondern einfühlend Fremdes zu erfassen versuchen.
“Jhwh”, der Schöpfer des Universums und die ganze Menschheit liebende Gott, ist der wichtigste Sprecher. Was er sagt, hat höchste Bedeutung in unserer Welt. Nichts steht höher. Die Bücher und Texte der Bibel haben bleibende Botschaften, auch für uns heute.

Geistliches Lesen (= lectio divina)

In sechs Schritten:

  1. innehalten
  2. Text lesen
  3. kurz beten
  4. vor Gott erwägen
  5. zu verstehen versuchen
  6. betrachtend verweilen
  7. handeln

Methode Lumko – Sieben Stufen

1) Wir laden den Herrn ein (kurzes Gebet)

2) Wir lesen den Text (Alle schlagen ihre Bibel auf, eine(r) liest vor)

3) Wir verweilen beim Text. Welche Worte sind uns wichtig? (diese einzeln aussprechen; Pausen lassen!)
– Am Ende nochmaliges Lesen des Textes

4) Wir schweigen (einige Minuten Stille)

5) Wir sagen einander, was uns berührt hat (Warum betraf mich mein Wort oder das eines anderen?)

6) Wir besprechen, was der Herr von uns will (Wie können wir das Gehörte verwirklichen? Was nehmen wir nach Hause mit?)

7) Wir beten (zuerst jede(r) ein kurzes Gebet, dann alle gemeinsam)

>Einzelworte haben mehr Kraft als Sätze
>Abstand lassen bei Stufe 3 (auch 5 und 6)! = Worte / Mitteilungen sollen “ausklingen”; dort sind 2 bis 3 Worte pro Person angemessen
>Verstehendes Zuhören (auf die Bibel und die anderen) ist wichtiger als Diskutieren oder Belehrung!
>Die eigene Mitteilung kurz fassen


Methode Bludesh – Fünf Stufen

>Ideale Größe: 5-7 Personen
>Zeitdauer ca. 75, maximal 90 Minuten
>kurz sprechen! mehr Zuhören als Diskutieren; auf den biblischen >Text fokussieren (nicht auf sich)
>wechselnde Leitung
>schriftliche Vorbereitung schon zuvor bewährt sich

Ablauf:
– Gebet
– Gewählte Stelle laut und langsam vorlesen; alle anderen hören zu.
– Persöhnliche schriftliche Erarbeitung der Bibelstelle anhand folgender fünf Fragen (in Stille):

1) Was ist die zentrale Aussage? (in einem Satz)

2) Was verstehe ich nicht?

3) Welche Zusammenhänge gibt es?
(mit der vorausgehenden / folgenden Stelle; Parallelstellen; ähnliche Themen)

4) Was gefällt mir bzw. womit bin ich nicht einverstanden?

5) Was kann ich (können wir) konkret tun?

– Austausch reihum zu jeder Frage
– Meditationsbild (Stille wenige Minute)
– Gebet oder Lied


Mit Psalmen beten

Langsam!
Stilmittel Parallelismus
Bildsprache
Dynamik erkennen
besondere Aussagen wahrnehmen
Innere Vertrautheit lässt mit viel mehr Freude und Gewinn sie beten.

P. Georg Fischer SJ


Lectio divina über das Evangelium vom III. Sonntag im Jahreskreis A (22. 01. 23) – Methode Lumko

Jesus beginnt seine öffentliche Tätigkeit in Galiläa; er ruft die Königsherrschaft Gottes aus und heilt Kranke. Wort und Wunder sind die Zeichen des Heils, das Gott für die Menschen bereit hat. Vor den Wundern aber berichtet Matthäus die Berufung der ersten Jünger: Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes; zweimal zwei Brüder. Sie hören den Ruf und verstehen ihn mit dem Herzen, noch ehe sie mit dem Verstand wissen, wie die Nachfolge ihr Leben verändern wird.

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus (4, 12–23)

12Als Jesus hörte, dass Johannes ausgeliefert worden war, kehrte er nach Galiläa zurück.
13Er verließ Nazaret, um in Kafárnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sébulon und Náftali.
14Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesája gesagt worden ist:
15Das Land Sébulon und das Land Náftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa:
16Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.
17Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um!
Denn das Himmelreich ist nahe.
18Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.
19Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
20Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.
21Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her.
Er rief sie
22und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach.
23Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.

Frohe Botschaft unseres Herrn Jesus Christus.

Zur Exegese: vgl.  www.perikopen.de

Zusammenfassung

Die Perikope Mt 4,12-23 steht wie eine Überschrift programmatisch am Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. In komprimierter Form informiert der Evangelist über alle wesentlichen Züge der Verkündigung Jesu, die historisch von Belang sind. So erinnert Matthäus daran, dass die Verkündigung der nahe gekommenen Himmelsherrschaft in Galiläa begann. Er liefert eine prägnante Zusammenfassung der Heilsbotschaft Jesu. Dann nennt er den Ort, an dem Jesus Jünger in seine Nachfolge rief, und weiß auch um die Namen der vier Erstberufenen. Schließlich erfährt der Leser, wie Jesus wandernd Galiläa durchzog, um zu verkündigen und zu heilen.

Jesus ist die dominierende Figur in diesem Evangelienabschnitt. Von ihm gehen alle Handlungen aus, die uneingeschränkt positiv geschildert werden. Allesamt sind sie Ausdruck seiner einzigartigen und umfassenden Vollmacht – sei es, dass Jesus eine neue Zeit ausruft, sei es, dass er Menschen in seiner 19 Fiedler, Peter, Das Matthäusevangelium (ThKNT 1), Stuttgart 2006, 102. 20 Vgl. Frankenmölle, Hubert, Matthäuskommentar I, Düsseldorf 1994, 202. Perikopen.de 8 Nachfolge ruft, sei es, dass er überall verkündet und alle Krankheiten heilt. Der Evangelist macht deutlich: In Jesus wird die ersehnte Fülle des Heils erfahrbar.

Von besonderem Gewicht ist die Verknüpfung von Verkündigung der Herrschaft des Himmels und den sich anschließenden Berufungen der ersten Jünger. Nichts zeigt die Dynamik und die befreiende Kraft der Botschaft Jesu besser als Menschen, die alles aufgeben und hinter sich lassen, um mit Jesus zu leben und ihm nachzufolgen. Jesus trifft ganz offensichtlich eine tiefe Sehnsucht nach einem neuen und erfüllten Leben, die angesichts der Perspektivenlosigkeit der Menschen verschüttet bleibt und sich nicht Bahn brechen kann. Erst als sie Jesus begegnen und inne werden, dass er in seiner Person die Wahrheit verkörpert, nach der sie insgeheim suchten, bedarf es nur eines einzigen Rufes, um Familie, Beruf und Besitz hinter sich zu lassen und sich an diesen Jesus zu binden. Steht doch der Ruf unter der Verheißung: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (6,33).

Dennoch zeigt sich, dass Nachfolge – auch und gerade in dieser Radikalität – im Letzten immer Kreuzesnachfolge bedeutet, das heißt: Nachfolge als Lebenshingabe entsprechend dem Vorbild Jesu. Im Hinblick darauf bleiben die Jünger ein Leben lang angefochtene Menschen. Wie Petrus wollen sie diese Wahrheit gerne verdrängen, so dass Jesus mit seinem „Hinter mich!“ (4,19; 16,23) Petrus zurechtweisen muss. Immer wieder werden sie von der Frage gequält, ob der Preis der Nachfolge es wirklich wert war (19,27f.). Bis zuletzt zweifeln die Jünger an Jesus, um dann in seiner Passion gänzlich an ihm irre zu werden. Erst nach Ostern beginnt ihre Sendung, die sie, ihrem Herrn vergleichbar, mit der Hingabe ihres Lebens besiegeln werden. So wird deutlich: Umkehr und Nachfolge sind nicht nur Momente der erste Berufung (4,17), sondern die Umkehr muss stets neu vollzogen werden, um die Nachfolge wahrhaftig leben zu können.

Der Ruf Gottes ist Gnade. Den Zeitpunkt und den Ort bestimmt der Herr. Auch wenn mit dem Ruf einer neuer Lebensabschnitt beginnt, war die vorangegangene Zeit keine verlorene Zeit. Denn dass die Gnade die Natur voraussetzt und sie vollendet, gilt auch hier. Die ersten Jünger waren Fischer von Beruf. Jesus macht sie jetzt zu Menschenfischern. Als Menschenfischer werden sie ihre Fischer-Qualitäten gut gebrauchen können, vor allem die Bereitschaft, jeden Tag neu aufzubrechen, um aufs Neue nach neuen Fischen Ausschau zu halten.

Die Tatsache, dass Jesus einfache Fischer berufen hat, brachte den frühen Christen den Spott der paganen Kritiker ein, die die neue Religion verunglimpften als Ansammlung von ungebildeten und törichten Menschen. Dennoch gilt: Für das Christ-Sein und Zeuge-Sein ist weder der Grad der formalen Bildung ausschlaggebend, noch der soziale Status, noch der Besitz, sondern einzig und allein die innere Entschiedenheit und die Bereitschaft, sich dem Herrn ganz anzuvertrauen (1Kor 1,26f.). Dann wird er vollenden, was den Jüngern fehlt. Nur in dieser starken Schwachheit sind sie überzeugend. Nur so vermögen sie wirklich Menschen für Christus zu gewinnen.

Franz Jung